HINTERGRUND: Sehen wir es mal von dieser Seite: Wir hätten nicht diesen wunderbaren Tusch der Becken in unseren Blasmusikkapellen, wären nicht die Generationen unserer Urururgroßväter vom Klang der Musik der Osmanen berauscht gewesen. Die Entführung aus dem Serail hätten wir sowieso nicht, und da wäre auch kein alla turca weit und breit. Fragen wir mal anders herum: Wer schenkt wem was, mit Absicht oder auch ohne? Was begehren und was fürchten wir? Und wie reagieren Künstler und Musiker auf diese gewollten oder ungewollten Geschenke, heute und früher?
Stichwort „Früher“ - eine kurze historische Perspektive vor dem Blick in Gegenwart und Zukunft: Um wie viel spärlicher wäre dieser Vorgang des Begehrens und Ablehnens, wenn nicht - wie Jahrhunderte lang - ein Osmanisches Reich und ein Habsburger Imperium, der „Osten“ und der „Westen“, sich an einer gemeinsamen Grenze gegenübergestanden hätten. Wenn nicht – wie im 19. Jahrhundert – Giuseppe Donizetti und ungezählte andere Komponisten aus dem Westen in Konstantinopel, dem heutigen Istanbul, gearbeitet hätten, die türkische Musik mit westeuropäischen Elementen beeinflusst und orientalische Elemente in die westliche Musik eingebracht hätten? Schon wären beide Musikkulturen nicht mehr das, was sie heute sind. Und in Kreuzberg - schon sind wir wieder in der Gegenwart – ereignen sich all diese Prozesse im Inneren einer Stadt.

KONZEPT: Das Festival fand im vergangenen Jahr erfolgreich im Ballhaus Naunyn statt. In seiner zweiten Ausgabe strömt es im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg und in Berlin aus, um im kommenden Jahr noch einen Schritt weiter zu gehen, und einen zusätzlichen Schwerpunkt in Istanbul zu setzen.
Das Festival KREUZTANBUL stellt wesentliche Positionen aus Überschneidungen und Beeinflussungen, Vorgaben und Rückflüssen, Provokationen und Bestätigungen aus den widersprüchlichen und fruchtbaren Szenen zwischen Kreuzberg und Istanbul vor.
Das Festival 2008 kooperiert mit Partnerinstitutionen in Friedrichshain-Kreuzberg (Lido, SO 36, Radialsystem V, Galerie zero, Galerie Vorspiel, Piranha), dem neu eröffneten Haus 13/Pfefferberg und rbb/radio multikulti. Das Festival strebt eine Kontinuität des kulturellen Austauschs zwischen Berlin (Kreuzberg) und Istanbul nicht nur in Hinblick auf die kommende Städtepartnerschaft zwischen Berlin und Istanbul 2009 an.
Gerade in Kreuzberg hat mindestens die Hälfte der Bewohner einen türkischen Hintergrund. Die Stärkung des kulturellen Selbstbewusstseins in Balance mit Toleranz und interkulturellem Dialog soll für diesen Stadtteil mit diesem Projekt erlebbar werden. 
Mit Partnern im Kiez initiiert das Festival Konzerte, Installationen und Talks und möchte einen interkulturellen Dialog neu vorantreiben, für Kinder von 9-99 Jahren.
Musik und Kunst machen Spaß, sind voller Überraschungen. Und Musik hat von Anfang an mit Spiel zu tun – sonst gäbe es sie gar nicht. Nur leider geraten diese Selbstverständlichkeiten meist aus dem Blickfeld, wenn es um Musik als Kunst geht.
Das Motto dieses interkulturellen Projektes ist es, anzunähern, zu verführen und unerwartet gemischte Angebote zu machen. Und das ist durchaus als Herausforderung zu verstehen. Jeder Sound hat seinen Hintergrund. Und sie sind tatsächlich komplex, die sozialen und ästhetischen Vorgänge zwischen den beiden Kulturen. Die Künstler hier wie dort reagieren darauf. Manchmal ist es auch umgekehrt und die Künstler geben vor, womit sich die Mehrzahl der Betroffenen erst später auseinandersetzt, womit und woran dann Politik und auch Kulturpolitik zu arbeiten haben.
Das Programm mit Musikern und Künstlern aus Berlin und Istanbul reicht von klassischer türkischer Musik, über Improvisation, experimentelle Musik, Elektronik und Elektroakustik, Rock bis hin zu Klangkunst und Kooperationen zwischen deutschen und türkischen Musikern.