ILHAN MIMAROGLU

Erste Retrospektive des türkischen Elektronikpioniers Weltdebüt mit Einführung von Alper Maral

"Die Zeit in der ersten Person Singular hat gesagt, dass ich am 11. März 1926 in Istanbul, Türkei geboren wurde, als Sohn des bedeutenden Architekten Kemalettin, den ich nicht kennen lernte, da er starb, als ich gerade ein Jahr alt war. Er wollte mich mit Musik aufwachsen sehen. Es gab ein Grammophon in unserem Haus und eine Reihe von

klassischen Aufnahmen. Das waren meine einzigen Spielzeuge. Ich hörte auch Musik, die sich mir sonst bot und betrachtete diese eher als „anodine“. Ich fing an, mir zu sagen,

dass es mehr Musik als diese geben müsste. Tatsächlich gab es die. Erst offenbarte sich mir Jazz, dann zeitgenössischen Kunstmusik. Meine Mutter wollte, dass ich ins  Konservatorium gehe. Ich lehnte ab. Sie würden mich die falschen Dinge lehren, und ich wusste noch nicht genug über die Musik, um sagen zu können, was falsch ist und was nicht. Stattdessen Schule für Rechtswissenschaften. Ich habe mich um Gesetze eh nicht geschert. Aber ich habe eine wichtige Sache gelernt, dass ich nur Gesetzen gehorchen sollte, die ich selbst hätte aufstellen können. Dann kam die Zeit für Musikpädagogik, als

ich genug über die Musik wusste, um nicht in Fallen zu treten. Man lernt am besten, was man bereits weiß. Die ersten Produkte der elektronischen Musik und/oder Musique Concrète erreichten mich in den frühen fünfziger Jahren. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich einen Ruf in der Türkei als Autor, Schriftsteller und Radio-Redakteur für Musik. Die Rockefeller-Stiftung hörte von mir und lud mich nach New York ein für ein Studienprogramm an der Columbia University (vor allem in Musikwissenschaft unter Paul Henry Lang und Komposition bei Douglas Moore). Ein paar Jahre später meine Rückkehr nach New York, um meine Studien an der Columbia mit einem Programm rund um elektronische Musik fortzusetzen, mit denen ich im Laufe meines ersten Besuches in Berührung gekommen war, mit meiner Arbeit an Tape Music, unter Leitung von Otto Luening und Vladamir Ussachevsky. Viele Jahre arbeitete ich in den Studios des Columbia-Princeton Electronic Music Centers. Mein primärer Mentor war Ussachevsky. Ich hatte auch die Gelegenheit, mit Edgar Varese und Stefan Wolpe u.a. zu arbeiten. In den frühen 1970ern erhielt ich das Guggenheim-Stipendium für Komposition. Zusätzlich zu meinen Elektronik-, Instrumental- und Gesangskompositionen schrieb ich eine Reihe von Büchern (über Musikgeschichte, Jazz, elektronische Musik, sowie eine Reihe von Tagebüchern, die alle in der Türkei veröffentlicht wurden). Selbst wenn ich nicht etwas anderes getan, geschrieben und veröffentlicht hätte, so würde mein "Project Utopia" Pamphlet meine Existenz gerechtfertigen." Ilhan Mimaroglu

SOQRMOM (Pieter Snapper) Elektronik Istanbul, US UA

insan/damat (2008) (human/bridegroom)

für Live-Elektronik und Video, Video von Reuben de Lautour

„Als Amerikaner, mehr oder weniger dauerhaft in Istanbul lebend, bin ich immer wieder mit der Schlüsselfrage der Migranten überall und deren Integration in die lokale Kultur konfrontiert. Dies ist keine große Belastung in Istanbul, denn die Stadt ist sichtbar -  wenn auch mitunter problematisch – ein Ort für ausländische Arbeitnehmer. Verheiratet mit einer türkischen Frau, die in Köln als Tochter eines türkischen Gastarbeiters aufwuchs, brauchte ich die Akzeptanz von ihrer Familie im Heimatdorf in Trakien. Im Dorf gab es keine vordefinierte Rolle für Ausländer. Es gab weder positive noch negative Vorurteile, und auch wenn ich die Familie von meiner Aufrichtigkeit überzeugen konnte, blieb ich ziemlich unverstanden und unnahbar.
In Trakien führt der einzig Weg der sozialen Akzeptanz über Tanzfläche bei Hochzeiten, und es war nur den wiederholten und begeisterten (zunächst peinlichen) Versuchen mit der türkischen Sprache und traditionellen Tänzen bei thrakischen Hochzeit zu verdanken, dass ich das Eis zu den Einheimischen brechen konnte. Ich habe nach und nach die Rhythmen (und was noch wichtiger ist, die Gegen-Akzente) gelernt. Die Tänze wurden symbolhaft für meine Versuche, meinen Platz in der türkischen Kultur zu finden, und die Rhythmen haben Einzug in meine Musik gefunden. insa /damat ist eine Klang-Erkundung der türkischen, vor allem trakischen Hochzeitstanzmusik, und eines Bräutigams, der sich darum bemüht, die damit verbundenen Rituale und Erwartungen in einer fremden Kultur zu bewahren.
Der Titel stammt aus der Daft Punk HUMAN/ROBOT-Dialektik nach einem wiederkehrenden Traum, in dem das behelmte Duo in der Tat begann, thrakische Hochzeitsmusik bei meiner eigenen Hochzeit zu machen.“ Pieter Snapper

Pieter Snapper ist US-amerikanischer Komponisten, Tonmeister und Musikproduzent und lebt und arbeitet in Istanbul seit 9 Jahren. Er studierte Komposition bei Andrew Imbrie und Edwin Dugger an der University of California, Berkeley, und mit Ralph Shapey und Howard Sandroff an der University of Chicago. Seine Kompositionen wurden einer breiten Öffentlichkeit bekannt, haben zahlreiche Auszeichnungen und Provisionen von BMI, ASCAP, UC Berkeley, der Yamaha Corporation of America und der Fromm-Stiftung an der Harvard University erhalten. Zuvor in der Fakultät des Oberlin College Conservatory of Music, ist Snapper einer der Begründer des MIAM (Center for Advanced

Music Research) an der Technischen Universität Istanbul. Er leitet die MIAM Studios, die zu den wichtigsten Recording- und elektroakustischen Fakultäten in der Türkei gehören. Snappers jüngstes musikalisches Output erstreckt sich von Orchestermusik und experimentelle Musik bis hin zu Laptop-Live-Aufführungen, die das Spektrum von Noise- Collage bis hin zu Elektro-Clash verfolgen. Hinter dem Laptop arbeitet er unter dem Namen Soqrmom.

REUBEN DE LAUTOUR Karaoke (2000 - 2008) Elektronik Istanbul, NZ UA  Premiere

Karaoke ist eine Reihe von intermedialen Werken, mit denen de Lautour im Jahre 2000 begann. Die Werke basieren alle auf einem einfachen Prozess: audio-visuelle Aufnahmen von Interviews zu verschiedenen Themen werden zeitlich gestreckt bis zu einem Extrem, an dem die prosaischen Qualitäten der Rede zu melodischen werden, während die Gesichts-Mikro-Ausdrücke langgezogen werden. Das Ziel besteht darin, die subtextuelle Ebene der Ausdruckskraft und Erzählung in der menschlichen Sprache und Gestik zu erfassen und diese mit zusätzlicher Musik und Grafik zu verstärken.

Reuben de Lautour ist in Neuseeland geboren und arbeitet als intermedialer Künstler in Istanbul. Er lehrt digitale Kunst-, Musikproduktion und Komposition am MIAM der der Technischen Universität Istanbul. Er produzierte für das Istanbuler Electronica Label Elec-Trip Records sein Solo-Tanz-Projekt "Orange" und ist Mitglied der Electro-Rockband "Zi Punt". Bevor er in die Türkei kam, studierte er Komposition bei Paul Lansky an der Princeton University, wo er derzeit sein PhD in Komposition beendet.

In Kooperation mit dem MIAM Studio in Istanbul. In Kooperation mit dem MIAM Studio in Istanbul. Spezieller Dank an Gungor und Ilhan Mimaroglu, Borusan Istanbul, Tolga Tuzun und Philip Samartzis