ERDAL ERZINCAN Baglama Baglama-Solo Istanbul

TANER AKYOL TRIO Berlin
spezial Guest: Erdal Erzincan Baglama

Die anatolische Volkstradition mit ihren Liedern, Klagegesängen, Fabeln, Märchen, Helden-Epen und religiösen Riten wurde seit Jahrtausenden mündlich überliefert. Jede Generation bereicherte die Bedeutungszusammenhänge auf Grund der Veränderungen und Erfahrungen, die sich während eines ganzen individuellen Lebens ereignen. Auf diese Weise wurden die Überlieferungen als Gesamterscheinung kontinuierlich entwickelt und gleichzeitig bewahrt. Ebenso wie jede Folklore auf dem Prinzip des Sammelns beruht, haben die Jahrtausende aus den verschiedenen Musikformen, den Skalen und komplexen Rhythmen ein unüberschaubares Repertoire geschaffen.
Über die anatolische Folklore ohne ihr Hauptinstrument, die Langhalslaute Baglama, nachzudenken, sie zu erklären oder zu verstehen, wäre unmöglich. Die Tradition spricht im Gestus des Erzählens; so wird die in ihr berichtete Wirklichkeit als erzähltes Gefühl, als dichterische Wahrheit in den Melodietexten aus einer Inspiration heraus dargestellt und erhöht. Als größter Inspirationsquelle wurde hierbei der Baglama ein zentraler Platz eingeräumt. In den letzten Jahren haben Interpreten die reichen Ausdrucksmöglichkeiten dieses Instruments in den Mittelpunkt ihrer Bemühungen gestellt. Arif Sag leistete den entscheidenden Beitrag, um die Baglama als Solo-Instrument auf der Konzertbühne zu etablieren, indem er in den 80er Jahren als erster Baglama-Künstler der türkischen Musikgeschichte eine landesweite Konzertreihe veranstaltete. Im feinfühligen Dialog mit den Meistern früherer Generationen untersuchte er das gesamte bestehende Repertoire. Mit der Zeit entstand ein nach seinem Namen als „Arif Sag-Schule“ benannter Interpretationsstil, auf den sich in unseren Tagen jeder Baglama-Spieler mit Stolz berufen kann. In den vergangenen Jahren tritt Arif Sag vermehrt auch gemeinsam mit Orchestern klassischer abendländischer Musik in Erscheinung. Auf diesem Wege wurde das Baglama auch als Orchesterinstrument künstlerisch erforscht und anerkannt.

Taner Akyol begann seine musikalische Ausbildung auf der Baglama. Gleichzeitig erhielt er Violin- und Klavierunterricht, konzentrierte sich aber auf die Baglama, mit der er sich musikalisch am besten auszudrücken verstand. Bei der Entwicklung seines eigenen Stils orientierte er sich in besonderem Maße an den Methoden Arif Sags. Seine zeitgenössischen Kompositionen für Baglama und verschiedene Kammermusik-Formationen haben in der Musikwelt bereits großes Interesse erregt. Eine Aufnahme von einem dieser Werke befand sich auf der Bonus-CD in der 5. Ausgabe der Neuen Zeitschrift für Musik. Taner Akyol hat sein Instrument als erster in weiten Kreisen der europäischen Komponisten- und Musikhochschul-Szene bekannt gemacht und das Entstehen neuer Werke inspiriert. Als Künstler hat er sich zum Ziel gesetzt, den Ausdrucksreichtum beider Musiktraditionen, die er erlernt hat, zu einer organischen Synthese zusammenzuführen. In diesem Rahmen hat er in seiner neuen CD-Produktion traditionelle Werke in seinem eigenen Kompositionsverständnis neu kommentiert und sie sieben neuen Kompositionen gegenübergestellt. Der Komponist und Baglama-Virtuose glaubt dabei nicht an eine Musik ohne persönlichen, menschlich geprägten Ausdruck. “Jeder Text, den ich vertone, wurde direkt aus meinem persönlichen Leben inspiriert.“ In diesem Bekenntnis spiegelt sich Akyols Selbstverständnis als Künstler wohl am treffendsten.